Auf die Erkenntnis, dass du jederzeit viele mögliche, auch berufliche, Identitäten hast (wie du in Teil 2 nachlesen kannst), folgt das Erleben des Dazwischen. Und das ist für die meisten Menschen – wenig überraschend – geprägt von einer ganzen Reihe unangenehmer Gefühle.
„Wie in einem luftleeren Raum…“
„In Limbo“
„Wie im Zentrum eines Wirbelsturms“
„Weder hier noch da“
„völlig orientierungslos“
„überfordert“
„entwurzelt“
„abwechselnd hoffnungslos und voller Vorfreude“
So beschreiben Menschen, die einen Karrierewechsel durchlaufen oder die eine längere ungewollte Pause zwischen ihrem Uniabschluss und ihrem ersten Job haben, ihren emotionalen Zustand. Interessanterweise teilen sie diese Gefühle mit Menschen, die einen von außen betrachtet viel extremeren Identitätswandel durchlaufen – die z.B. eine Sekte verlassen oder sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Zu diesem Schluss ist eine schon etwas ältere soziologische Studie mit einem sehr passenden Titel gekommen (Helen Rose Fuchs Ebaugh, Becoming an Ex: The Process of Role Exit (Chicago: University of Chicago Press, 1988)).
Möglicherweise hattest du selbst auch schon einmal so eine Phase in deinem Leben und weißt, wovon diese Menschen reden. Ich habe mich beim Lesen dieses Abschnitts aus Herminia Ibarras „Working Identity“ jedenfalls sehr verstanden gefühlt. Die zwei Jahre inneres und äußeres Chaos, die meiner Dissertation folgten, hätte ich mit genau denselben Worten beschrieben.
Inzwischen weiß ich, dass diese Phasen zwischen dem Ende von etwas Altem und dem Beginn von etwas Neuem notwendig sind – inklusive aller Schwierigkeiten. Es gibt sogar ein Modell dazu. Wahrscheinlich gibt es viele Modelle dazu, aber dieses hier kenne ich und möchte ich dir aufgrund seiner Einfachheit gern mit auf den Weg geben. Die folgenden zwei Diagramme basieren auf William Bridges‘ Managing Transitions: Making The Most Of Change, und ist damit ein kleiner Exkurs von Ibarras Buch.
Das erste Diagramm ist eine schematische Darstellung des zeitlichen Verlaufs (x-Achse) und der subjektiv empfundenen Wichtigkeit (y-Achse), die den Ereignissen in den jeweiligen Phasen zugeordnet sind.

Das zweite Diagramm ist eine schöne Sammlung und Zuordnung verschiedener Gefühlszustände in den jeweiligen Phasen.

Das Modell zeigt also drei Phasen:
(1) Ende (Ending)
Der Wandel beginnt interessanterweise nicht mit einem Anfang, sondern mit einem Ende. Vielen Menschen fällt es schwer, das Alte loszulassen. Es ist vertraut, man kennt sich damit gut aus, vielleicht gibt es sogar vieles daran, das einem lieb und teuer ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn äußere Ereignisse für den anstehenden Wandel verantwortlich sind, wie eine Kündigung oder das Ende eines befristeten Vertrags oder schlicht und ergreifend der Studienabschluss oder die Promotionsurkunde.
Was dabei hilft, ist ein bewusster Abschied. Ein sogenanntes „Marker Event“ kann zur emotionalen Bewältigung beitragen. Das kann ein Fest mit Kolleg*innen oder Kommiliton*innen sein, um die eigenen Leistungen noch einmal feierlich zu würdigen. Aber auch ein ganz privates Ritual wie das Schreiben eines Briefes oder Versenken eines Steins kann super hilfreich sein, um negative Gefühle anzuerkennen und loszulassen. Deiner Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Je nachdem, wie leicht es dir generell fällt, Altes loszulassen, ist diese Phase kürzer oder länger. Immerhin geht es hier darum, alte Verhaltensmuster und Identifikationen abzulegen – und das ist mit einem „Marker Event“ mit Sicherheit nicht getan, sondern kann in dieser Phase nur zusätzlich unterstützen.
(2) Zwischenphase (Transition Zone)
Von dieser Phase ist in diesem Artikel die Rede. Sie kann laut Bridges (und auch laut Ibarra) sehr gefährlich sein, denn die Versuchung ist groß, einfache und schnelle Lösungen zu ergreifen, die jedoch mittel- und langfristig verheerend für dein Glück sein können. Es gibt hier drei grundsätzliche Verhaltensmuster:
Aggression: Du versuchst, den unangenehmen Zustand möglichst schnell zu beenden, indem du radikale und impulsive Entscheidungen fällst, ohne dabei ausreichend mögliche Konsequenzen für dich und dein soziales Umfeld zu berücksichtigen. Hauptsache, schnelle Ergebnisse.
Regression: Du vermeidest zumindest Teilbereiche deiner Problemstellung und schiebst nötige Schritte immer wieder auf. Du bagetellisierst die Bedeutung, die die bevorstehende Veränderung für dich hat.
Resignation: Du neigst dazu, die Verantwortung für deine Entscheidungen abzugeben. Du lässt dich leicht von deinem Vorhaben ablenken und inszenierst diese Ablenkungsmanöver sogar selbst, denn sie verschleiern deine eigentliche Herausforderung, gut in einem neuen Job anzukommen.
Was ist dein liebstes Verhaltensmuster? Meines war definitiv die Aggression.
Was hilft?
Komplexitätsreduzierende Maßnahmen! Sammeln und sichten, auswählen, und gezielt umsetzen. Wenn du dabei Hilfe brauchst, such dir einen Sparring Partner, einen Buddy, einen Coach, oder gründe ein Erfolgsteam.
Außerdem hilft dir sehr wahrscheinlich auch das Wissen darüber, dass deine Situation völlig normal ist und eben Zeit brauchst.
(3) Neuanfang (New Beginning)
Der Neuanfang ist erwartungsgemäß der einfachste Teil. Sollte das bei dir nicht so sein, liegt das möglicherweise daran, dass du die vorangegangenen Phasen noch nicht abgeschlossen hast. Vielleicht hängst du noch immer am Alten? Oder du bist in der Übergangsphase zu schnell vorangeprescht und hast eine Entscheidung getroffen, die sich nun als nicht nachhaltig erweist? Es kann aber auch sein, dass du Zweifel an deiner neuen Identität hast, weil du dich darin noch nicht genügend ausprobiert hast.
Was hilft?
Bau ganz gezielt Kontakte auf zu Personen, die genau in dem Bereich, wo du jetzt bist, schon eine Weile angekommen sind und die gern ihre Erfahrung mit dir teilen.
In Teil 4 wird es darum gehen, wie dir ein tiefer Wandel sicher gelingt.